Erstkontakt Aprilia RS 660

Moin in die Runde.

Nachdem nun auf mein Bitten hin hier im Forum jetzt auch eine Rubrik für die 660er-Modelle von Aprilia eingerichtet wurde (vielen Dank erst einmal dafür!), sollte ich vermutlich auch mal anfangen und ein wenig von meinen subjektiven Eindrücken zur RS 660 berichten.
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Ich habe meine RS 660 eigentlich schon im letzten Frühjahr kaufen wollen, jedoch wurde aus dem Erscheinungstermin „Anfang 2020“ dann recht schnell „Sommer 2020“ und dann „das 3. Quartal 2020“. Spätestens durch Covid-19 war dann irgendwann klar, dass realistisch mit einem Lieferdatum im Frühjahr 2021 zu rechnen sein würde.

Die Kaufentscheidung für die RS 660 war eigentlich schon viel früher nach der Vorstellung des ersten Prototypen gefallen. Ich habe mich damals sofort in die Kleine verliebt. Bleibt jetzt die große Frage, ob meine Gefühle erwidert oder enttäuscht wurden :wtf:
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Nach den ersten zwei Ausfahrten auf der Landstraße und 600 Kilometern bin ich ehrlich gesagt überwiegend positiv überrascht von dem kleinen Reihen-Zweizylinder. Die ersten 300 Kilometer bin ich alleine gefahren (das leidige Einfahren kann ja fast schon in Stress ausarten, wenn man es richtig machen will), die zweiten 300 Kilometer in einer Gruppe mit mehreren RSV4 und Tuono V4. Natürlich musste ich mich durch die Einfahrphase zurück halten und natürlich wird ein V4 auf der langen Gerade auch danach der kleinen RS gnadenlos davon ziehen, aber wenn man Fahrspaß auf der Landstraße nicht einzig und allein über schnelles Geradeausfahren und Geschwindigkeiten weit jenseits der 140 Km/h definiert, hat man mit der RS nicht für 5 Pfennig weniger Spaß als mit der großen Schwester. Da machen sich einfach die 30 Kilo weniger Gewicht deutlich bemerkbar.
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Ich kenne mehrere Jungs, die auf der Landstraße von der Tuono V4 auf leichtere Eisen, wie zum Beispiel auch die Street Triple RS umgestiegen sind und dies keinen Moment lang bereut haben. Ähnliches würde ich trotz der „nur“ 100 PS von der RS 660 behaupten.
Für die Landstraße bei kurvigem Geläuf würde ich somit - wenn es rein um den Fahrspaß geht - der kleinen RS den Vorzug geben.

Jetzt mal ein paar Punkte die mir aufgefallen sind (natürlich rein subjektiv):

1.) Das größte Problem habe ich mit der Bremse und das ist mir bereits aufgefallen, als ich beim Händler vom Hof gerollt bin. Ich habe nur einen sehr unkonkreten Druckpunkt, der auch nur schwer vorherzusehen ist. Es ist fast so, als würde die Bremse bei jeder Betätigung deutlich unterschiedlich stark reagieren. Da ich allerdings diesen Punkt noch von keinem anderen RS 660-Fahrer gehört habe, würde ich erst einmal die Bremse richtig entlüften lassen und dann weiter sehen. Ich glaube nicht, dass Aprilia da eine miese Brembo-Qualität eingebaut hat. Schon gar nicht, wenn man das schon auf dem Hof bzw. der Landstraße merkt.

2.) Die Verarbeitungsqualität ist für ein Moped in der Preisklasse ok, aber auch nicht mehr. Wenn ich da bei Triumph schaue, kann sich Aprilia noch ne große Scheibe abschneiden. Weitaus schwerwiegender finde ich das dann bei den großen Schwestern RSV4 und Tuono V4 - aber um die geht es an dieser Stelle nicht.

3.) Das Fahrwerk ist auf der Landstraße wirklich Aprilia-typisch erste Sahne, solange der Asphalt gut und glatt ist. Straßen der dritten Ordnung zeigen dem FW dann schnell die Grenzen auf. Das wird auch für die Rennstrecke gelten, aber da kann man ja etwas ändern.

4.) Die 660er-Modelle haben als völlig neue Reihe noch ihre Kinderkrankheiten. Meine RS steht zur Zeit zum Beispiel, weil wohl zu weiche Shims verbaut wurden (bei bestimmten Chargen), die ein falsches Ventilspiel zur Folge haben. Weitere Probleme gibt es beim Getriebe, der Software und anderen Baustellen, die aber alle wohl behoben werden können. Damit muss man bei einem neuen Moped rechnen.

Es gäbe sicherlich noch dutzende von Punkten, die ich zur RS 660 erzählen könnte, aber das erstmal für´s Erste. Bei Fragen antworte ich natürlich gerne und freue mich über das Interesse.

Bleibt noch das Thema Rennstrecke:
Bisher habe ich die RS 660 noch nicht auf der Rennstrecke bewegt. Wie aber diverse Rennstrecken-Projekte (wie z.B. von Gabro) oder auch der Trofeo-Cup zeigen, sollte die RS auch auf der Rennstrecke durchaus zu Hause sein. In diesem Punkt bin ich persönlich eher vorsichtig. Ich bin mir sicher, dass die kleinen 660er auch auf der Renne höllischen Spaß machen, allerdings wohl vor allem, wenn sie unter ihresgleichen sind. In normalen Renntrainings, wie sie die Meisten von uns besuchen, ist die 660er auf der Geraden gnadenlos untermotorisiert. Da wird unterhalb der 600er mit R4 noch eine neue Kategorie aufgemacht. Fraglich, ob das dann in der Zusammenstellung noch auf Dauer wirklich Freude macht. Allerdings denke ich auch, dass in dieser Klasse in den nächsten Jahren noch viel Neues kommen wird, auf das man sich freuen kann (siehe Yamaha R7 usw.).

Fazit: Hätte ich ein Budget von rund 20.000 Euro und die Ansprüche Landstraße und Rennstrecke, würde ich ne RS660 für die Landstraße und ne gebrauchte RSV4 für die Renne wählen. Ungefähr für den Betrag bekommt man auch das „Multi-Tool“ Tuono V4 Factory. Wäre aber meine zweite Wahl beim vorgegebenen Budget.
Der reine Rennstreckenfahrer wird sich vermutlich im Rahmen der üblichen Renntrainings nicht für die RS begeistern können. Wer allerdings nur die RS 660 hat und nur hin und wieder mal einen Ausflug auf die Rennstrecke machen will, kommt bestimmt auch mit der RS dort sehr gut klar.

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Hallo
und Glückwunsch zu deinem neuen Spassgerät.
Das mit der Qualität kann ich nur bestätigen, denn das Problem hatte ich an meiner Tuono Factory
auch .
Da müsste im Qualitätsmanagement aber noch was gemacht werden, um auf den Qualitätsstandard zu kommen, den andere Hersteller haben.

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Hallo, viel Spaß mit deiner Kleinen!
Als Zweitmotorrad habe ich mir auch eine RS660 zugelegt, nach nunmehr 1500km bin ich sehr positiv überrascht, besonders das gute Handling gefällt mir, wobei die originalen Pirellis bei der kühlen Witterung hier im Norden keinen berechenbaren Grip aufbauen.
Bei dir zu 1. Bremse, nach dem Entlüften der Bremspumpe am Lenker alles prima.
Zu 3. das original Fahrwerk musste nach Messung des Negativfederwegs am Federbein etwas mehr Vorspannung bekommen, dann fuhr sich die Kleine schon ganz anders, denke wenn erst hinten ein 180/60 ( Dunlop MK3 ) montiert ist wird sich das ganze beim Fahrwerk noch mal besser machen, auch auf der Rennstrecke werde ich sie zuerst noch original lassen und Fahreindrücke sammeln, bevor dann evtl, Öhlins ins Spiel kommt.
Zu der Rückrufaktion hoffe ich nicht mit meiner dabei zu sein, bis jetzt hatte ich noch keinen Anruf vom Händler.

Viele Grüße
RSV47

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Hallo RSV47 .
Das freut mich ja, hier einen weiteren RS 660-Besitzer gefunden zu haben und dann auch noch aus dem Norden. Darf ich fragen, woher Du genau kommst? Ich komme aus der Region Ostwestfalen.
Der Tipp mit dem Bremsenentlüften bzw. der gute Erfolg bei Dir gibt mir Hoffnung. Konnte ich mir fast auch nicht anders vorstellen.
Das Fahrwerk werde ich in den nächsten Wochen ohnehin erst einmal von Steven May einstellen lassen und dann gemeinsam mit ihm entscheiden, was zu tun ist. Da habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht.
Zur Rückrufaktion: Es ist eigentlich keine Rückrufaktion und der Händler wird es im Zweifel bei der nächsten Inspektion mit erledigen. Wenn die erst bei 10.000 oder im nächsten Jahr ansteht, würde ich vielleicht schon mal nachfragen, ob Dein Modell betroffen ist. Grob gesagt geht es wohl um Modelle, die im März ausgeliefert wurden. Aber das ist nur ne grobe Richtung. Wenn Du mir Deine FIN gibst, kann ich das in den nächsten Tagen mal checken lassen. Das sollte aber Dein Händler auch in zwei Minuten raus bekommen. Trotzdem - wenn Du Hilfe benötigst, kümmere ich mich gerne.

Hallo und viel Spaß mit der 660! Ich finde es ein gelungenes Bike. :thumbup:

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Servus und danke für deinen Beitrag.
Das mit der Bremse kann ich nur bestätigen, habe auch den Eindruck, dass der Druckpunkt immer wandert.
Bin in 2 Wochen beim Martin Bauer und lasse ihn das mal ansehen, zur not kommt halt eine neue Radialpumpe dran :laughing:

Weil im Moment ist das für mich das nervigste, was mich auch stört, den undefinierten Druckpunkt bei der Bremse.

Fahrwerk ist wie du beschrieben hast auch nicht das feinfühligste, für die Straße reicht’s.
Habe die Werkseinstellung etwas anpassen müssen, funktioniert jetzt besser, aber lasse ich vom Martin nochmal einstellen um es optimal zu haben.
Aber um bessere Hardware wird man wohl nicht rum kommen, wenn man Rennstrecke fahren will.
Auf der Straße in Schräglage über kleine Bodenwelle, hab ich auch schon Probleme mit Unruhen in der Gabel, werde mal nach dem Einstellen nochmal ausgiebig testen.

Fakt ist und bleibt , billiges Moped ist gleich mehr oder weniger billige Teile.
Dann unzufrieden sein um dann teure Teile einzubauen finde ich persönlich für Unfug. Da kauf ich mir eine E4 Tuono und gut is. Von weiter weg schauen die 660er net aus , aber von nahem ist es schon traurig wie billig das Zeug aussieht. Ehrlich egal wie winkelig auf der Landstrasse , wenn jemand mit einer 1100er Tuono aus einer Kurve feuer gibt verreckst mit der 660er. Für mich bleibt es ein dem Preis entsprechende billiges Moperl.

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hmm… hab ich was verpasst?
denn billig ist die rs 660 definitiv nicht.
in der mittelklasse ist mit 12.690,- die rs 660 am teuersten, zumindest habe ich nichts teureres gesehen. klar ne ducati panigale v2 gäbe es noch um 22.000 doch auch die hat showa gabel und zf federbein, also auch net die feinste hardware.
also nach deiner aussage müsste ich ca 35k hinlegen und mir ne s1000rr oder ne v4 factory oder so was in der richtung holen xD
ich wollte damals die honda cbr650r kaufen, wie ich die vorstellung der rs660 gesehen habe. und dann noch 4k draufgelegt und die rs geholt hab, weil die so geil ist und elektronik paket etc… doch sehr viel dabei ist.

also billig finde ich die net, und die verbauten teile sind auch net billig, aber auch nicht die hochwertigsten.
und ohne anpassungen kommt man bei solchen motorrädern einfaach nicht drum herum, wenn man auf die rennstrecke will zumindest.

Wenn man den 660er Cup fährt ist das klar. Sonst würd ich mir eine R6 für die Renne holen. Wer braucht ein Moped um 35k um schnell zu sein? 90% aller sogenannten Ringheizer nutzen nicht mal das Serienmaterial aus . Ausserdem ist der Sprung von einer 660er zur Tuono E4 minimal. Aber das sind halt meine Erfahrungen. Sicher werden einige vor den Kopf gestoßen sein, aber mit dem muss ich leben.
Wenn jemand gerne viel Geld in Teile versenken will und kann sei ihm das vergönnt. Es mag sein das sie die teuerste von den mit billigen Teilen gebaute ist , aber das macht es auch nicht besser finde ich.

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gut wenn man reines trackbike will würde ich sowieso ne gebrauchte alte 600er nehmen und die aufmotzen komm ich wahrscheinlich auf den gleichen preis hab aber alles wie ich es brauche.

hast nicht unbedingt unrecht :face_with_tears_of_joy:

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Meine ersten Fahreindrücke zur RS 660 stammen ja aus April 2021 und wurden alleine auf der Landstraße gesammelt. Jetzt - knapp 20 Monate später, greife ich das Thema noch einmal auf und versuche ein Update zu meinem ersten Bericht.

Meine RS 660 hat jetzt rund 12.000 Kilometer auf dem Buckel und steht - bis auf einige Micro-Kratzer - da wie am ersten Tag. Bei knapp 8.000 Kilometern hat sie im Rahmen des großen Rückrufes einen komplett neuen Motor mit sämtlichen An-Aggregaten bekommen. Insofern hat der Motor jetzt eigentlich erst rund 4.000 Kilometer gelaufen. Aber auch der alte Motor mit den nicht richtig gehärteten Pleueln hat bei mir keinerlei Probleme bereitet. Das Moped stand anfangs häufiger in der Werkstatt, da es einige Rückrufe gab. Das Meiste waren aber Software-Updates und sonstige Kleinstmaßnahmen, die ich mal unter dem Begriff „Kinderkrankheit“ bei einer kompletten Neuentwicklung sammeln würde.

Nicht bestätigt haben sich meine Sorgen hinsichtlich der Qualität - vor allem im Vergleich zu den V4-Modellen ab 2021. Sicherlich sind einige Dinge an der RS 660 nicht so hochwertig, wie man sie sich wünschen würde (z.B. nicht über lackierte Aufkleber). Schaut man sich aber das Gesamtpaket an, ist die RS 660 in meinen Augen ihren Preis durchaus wert.

Jetzt aber zu den relevanten Aspekten bei unserem Hobby: Wieviel Spaß macht der Koffer?
Ich komme aus Ostwestfalen-Lippe und bin somit viel im kompakten und eng verwinkelten Kalletal / Weserbergland unterwegs. Die RS 660 macht einfach doppelt soviel Spaß wie die Tuono V4 (weil eben alles soviel leichter geht) bei nicht mal halben Kosten (Spritverbrauch der letzten 1.000 Kilometer z.B. 3,7 Liter/100 Km). Reifen, Wartung, Versicherung, usw, usw, - alles ist um Längen günstiger. Meine V4 würde ich deswegen trotzdem nicht weg geben, weil sie mein kleines Herzelein so schön erwärmt :wink: Insofern ist die Kosten-Diskussion in Summe wieder völliger Schwachsinn. Aber die RS hat sich einfach einen weiteren Platz im Herzen bei mir erarbeitet. Soviel zur Landstraße.

Was ist denn nu mit Rennstrecke?
Ich war in 2022 zum allerersten Mal zu den Twins Only angemeldet (ganz ganz herzlichen Dank hierfür nochmal an Speedfreak , dessen Platz ich übernehmen durfte). Was für eine krasse Veranstaltung!!! Aber der Reihe nach.

Da das Motto der Veranstaltung nun für einen Neuling wie mich nicht klar erkennen lies, ob es sich dabei um eine sexuelle Vorliebe oder ein Motorkonzept handelte, habe ich mich im Vorfeld mal diskret umgehört. Das Ergebnis war, dass nahezu alle Gesprächspartner meinen ersten Gedankengang gerne weiter verfolgen möchten, jedoch unabhängig davon zu einer Veranstaltungsteilnahme mit einem Zweizylinder-Moped geraten haben. Meine Suzuki GSX R 750 war dann da wohl raus.

Also musste die RS 660 für Oschersleben herhalten. Und ich bin absolut begeistert. Wo ich mit der GSX R immer wieder damit beschäftigt bin, mich auf das Motorrad zu konzentrieren, kann ich mich mit der RS 660 komplett alleine auf das MotorradFAHREN konzentrieren. Es war einfach nur Spaß pur. Wenn alle anderen bei der Volkswagen-Brücke bremsen, kann man mit der RS 660 noch kurz in den 6. Gang schalten. Auf der Bremse geht so leicht so wahnsinnig viel. Natürlich wird man auf der Geraden von den 1.000ern verblasen, aber die kommen nicht weit :wink: Ich habe nach den ersten Turns wirklich nur ungläubig da gestanden und war absolut begeistert, was dieses kleine Moped in absoluter Serienausstattung auf der Rennstrecke bringt.
Am nächsten Tag habe ich dann noch ein paar Jungs fahren lassen, die eigentlich alle mit >180-PS-Italienerinnen vor Ort waren. Und alle sind mit einem richtig breiten Grinsen wieder in die Box gekommen.

Mein Fazit: Die RS 660 ist keine heilige Kuh oder die Quadratur des Kreises. Sie ist einfach ein richtig gutes Moped mit absoluter Spaß-Garantie. Auf der Landstraße (war ja klar) als auch auf der Rennstrecke (was mich echt erstaunt hat).
Sie ist nicht besser oder schlechter als die V4, sondern einfach anders. Ich kann nur jedem raten, sich mal drauf zu setzen und sie auszuprobieren. Aprilia hat da echt was richtig gemacht!

Freuen würde ich mich über mehr Erfahrungsberichte zur RS 660 von anderen Usern.

Viele Grüße,

Georg

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